Als StrickerIn steht man ja immer mal vor der Frage, dass jemand etwas gestrickt haben möchte – oft auch mit dem Zusatz „ich bezahle auch was“. Ich antworte darauf meistens mit einem kurzen Rechenexempel, dass nicht mal bei einem angenommenen Mindestlohn pro Stunde, die Sachen bezahlbar bleiben. Nehmen wir doch mal ein Paar Socken. Ich verwende gern exklusives Strickgarn, sagen wir mal 20€ pro Strang. Dann strickt man ja an einem Paar Socken, auch ohne aufwändiges Muster schon mindestens 8h. Und schwupps ist das Paar Socken mit ca. 90 €uro ziemlich teuer. In den Köpfen der Leute ist ja aber auch noch verankert, dass es billiger ist, etwas selbst zu machen und man strickt sich Socken selbst, um zu sparen…*
Aber diese Arbeit ist nur eine Facette des Problems, das ich meine: mit richtig echter Arbeit, wo man die Hände benutzen muss und sich womöglich auch noch schmutzig macht, kann man wirklich kein richtiges Geld verdienen. Viel Kohle bekommt man heutzutage für „virtuelle“ Dinge oder für Schreibtischarbeit (im klimatisierten Büro). Menschen, die echte Dinge schaffen – Bauern, Tischler, Bauarbeiter, Köche – oder aber Arbeit im sozialen Bereich – Kindergärtner, Lehrer, Altenpfleger – sind hingegen deutlich schlechter bezahlt. Dazu kommt ja noch, dass viele der heute schlecht bezahlten Tätigkeiten, die zB mit der Produktion von Lebensmitteln befasst sind, vor hunderten Jahren der einzige „Zeitvertreib“ für Menschen war. Wenn die Jäger nix erbeutet haben oder wenn der Anbau vom Getreide schief ging, dann stand schnell das Überleben auf der Kippe. Das Bild zum Beitrag ist diese Woche bei uns auf dem Feld vorm Haus entstanden.
In der Zeit ist diese Woche ein sehr interessanter Artikel dazu, der meine Gedanken viel besser auf den Punkt bringt, als ich das könnte.
Und noch eine andere Richtung der ganzen Arbeitsdiskussion ist spannend: die panische Angst vorm Wegfall von Jobs durch Roboter. Dazu habe ich hier einen interessanten Artikel gefunden (Achtung, English).
Tja, und irgendwie… diese ganze Sinnstifterei durch die „virtuelle“ Geistarbeit geht mir ein stückweit ab und ich produziere gern etwas, sei es nun ein Strickstück oder eine leckere Chilisauce oder eine Strickanleitung. Wobei letzteres eine nette Kombination ist aus allem – ich schreibe was auf, was andere benutzen können, um etwas herzustellen. Ganz in diesem Sinne habe ich die Anleitung für die Baby-Hose aufgeschrieben. Und weil ich einmal dabei war, habe ich gleich mal das Design der Anleitungssammlung etwas aufgefrischt. Gefällt es euch?
* wenn ich mal wirklich für jemand aus dem guten Bekanntenkreis etwas stricke, dann verlange ich zB für ein Paar Socken den Preis der Wolle und 10€ als symbolischen Lohn für das Stricken. Allerdings bestehe ich darauf, dass ich entscheide, ob ich einen Strickauftrag annehme oder ich lehne es ab, schwarze Socken zu stricken, denn ich mache das ja aus Spaß in meiner Freizeit… Davon leben könnte man eh nicht….
Dieser Beitrag kommt wie aus meinem Herzen.
Ich stricke nur für mich und meinen Mann, 2 Töchter, 4 Enkelkinder und ab und zu als geschätztes Geschenk.
Wenn Anfragen kommen, ist meine Antwort: Ich stricke nur für……………..siehe oben.
Ich habe von einer Frau, einen Monat vor ihrem Tod, eine gestrickte Patchworkdecke 70×160
geschenkt bekommen. Extra für mich gestrickt. Ich schätze sie so, dass ich sie jeden Tag angreifen muss, auch wenn ich sie nicht verwende.
Und jetzt muss ich mir noch die anderen Artikel zu Gemüte führen.
Danke Waltraud
Ich produziere ja sehr gern virtuelle Produkte
…und das Beispiel von der Backmischung in dem einen Artikel: ich bin ja jedes Mal wieder empoert, wenn ich feststelle, dass von mir verlangt wird, noch weitere Zutaten als Wasser hinzuzugeben! Wenn eh Eier und Milch fehlen, kann ich den Teig auch echt „from scratch“ selber machen (bzw kann ich eben nicht, wenn ein uebereifriger, minderjaehriger Kuechenhelfer in der Zeit, die ich brauche, den Kuehlschrank oder den Vorratsschrank zu oeffnen, bereits drei mittlere Katastrophen in die Wege geleitet hat)