So,
gestern war ja eher der staedtische Aspekt an der Reihe, heute also eine kurze Vorstellung der Arbeitsumgebung: Das Department of Genetics, das in enger Nachbarschaft zum beruehmten Cavendish Laboratory liegt und einer der Ausgangspunkte fuer die Fly-Pusher-Bewegung, also die Verwendung von Fruchtfliegen fuer die Grundlagenforschung, insbesondere die Genetik war. Standesgemaess gibt es daher ein riesiges Fly Lab, in dem ungefaehr 40 Leute gleichzeitig an und mit Fliegen arbeiten koennen. Dazu kommen jede Menge Labors, in denen natuerlich ebenfalls (aber nicht nur) mit den Fliegen gearbeitet wird. Ich werde im Moment auch umschwaermt, weil irgendjemand vergessen hat, dass er leckeres Naehrmedium im Muelleimer hinterlassen hatte… An sich wirken die Labore auf den ersten Blick allerdings nicht wie Weltklasselabore, denn die Ausstattung kann mit denen der Uni Wuerzburg in vielen Teilen von der Aktualitaet her nicht mithalten. Auch die laxere Einstellung zur klinischen Sauberkeit macht sich hier bemerkbar, aber immerhin wurden hier die meisten Nobelpreise der Welt produziert, was wieder einmal zeigt, dass es nicht unbedingt auf die neuesten Pipetten ankommt, sondern auf den Einsatz der Mittel, die man hat. Und Kreativitaet wird hier allemal gefoerdert, so zentrifugieren wir unsere Probenplatte (96 well, wem’s was sagt) mit einer Salatschleuder…
Ausserdem ist die Zusammensetzung der Labore extrem international, in meiner Arbeitsgruppe ist nur der Prof Brite, ansonsten sind es v.a. Deutsche und Amis, in anderen Gruppen aber auch Suedamerikaner und Europaer unterschiedichster Herkunft. Mit dem britischen Akzent wird’s also bei mir nix mehr werden, mein Post-Doc, fuer den ich arbeiten werde, ist naemlich aus Nebraska und dazu noch bekennender Root-Beer-Trinker.
Heute habe ich allerdings einige bemerkenswerte Errungenschaften und Erlebnisse gehabt, die ich mir vor einem Jahr wahrscheinlich nicht haette traeumen lassen. Zum Beispiel wurde ich heute erneut vielen wichtigen Leuten vorgestellt, die mir das ganze Haus inklusive aller Notausgaenge und Augenduschen zeigten – schon nicht schlecht, wenn man den ganzen Managern hier als neue Mitarbeiterin vorgestellt wird. Dann erhielt ich meinen temporaeren Zugangsausweis, mit dem ich alle Tueren hier oeffnen kann und fuer den ich mich in die offizielle Liste der Mitarbeiter der Uni Cambridge eintragen musste.
Im Labor selbst habe ich heute gelernt, Fliegenfrauen von Fliegenmaennern zu unterscheiden und als Zugabe auch gleich noch ein paar Mutanten, denen ein paar bestimmte Haare fehlen – genau, klingt nach Sisiphosarbeit, ist es auch, und mir wird zunehmend Angst und Bange, wenn ich daran denke, dass wir in zwei Wochen einige tausend Fliegen sortieren, paaren und analysieren werden…. Bis dahin muss ich allerdings noch lernen, die Jungfrauen aus den vorher von den Maennern getrennten Fliegenfrauen herauszupicken – am besten ohne Mikroskop, damit’s schneller geht – koennt ihr ja mal zu Hause ausprobieren, wie gut ihr die einzelnen Fruchtfliegen so voneinander unterscheiden koennt… 🙂
Am Nachmittag gab’s dann die obligatorische Tea Time mit dem Prof, mit dem wir unsere Projekte besprachen, anschliessend ein Seminar mit einer Professorin von einer anderen Uni, die sichtlich aufgeregt war, vor den ganzen Leute hier zu reden, die aber sehr nett aufgenommen wurde, obwohl ich ihre Experimente nicht wirklich schluessig fand. Danach gings dann ins Eagle, also den legendaere Pub, in dem auch Watson und Crick der Legende nach 6 Tage die Woche ihre warmen Mahlzeiten zu sich nahmen – ich koennte mir das leider nicht leisten bei den Preisen dort, aber ein Bier (oder zumindest das, was man hier als Bier verkauft) war schon drin bevor ich mich wieder zurueck ins Labor machte, weil ich eigentlich endlich meine Protokolle schreiben wollte, die aber wohl doch erst morgen zustande kommen werden…