…war ich heute im Mittelmeer. So ein badetaugliches Meer in direkter Fahrradreichweite (10 Minuten) ist wirklich ein nicht zu verachtendes Stück Lebensqualität. Wobei Adam meint, dass er während der 3 Jahre, die er mittlerweile in Tel Aviv lebt, erst dreimal am Strand war. Aber das hängt vermutlich eher mit seinem Studienfleiß als mit dem Strand als solchen zusammen. Ich fands jedenfalls herrlich, direkt nach dem Aufstehen ins Meer waten zu können. Zum Thema Fahrrad vielleicht noch ein kleiner Einschub – Tel Aviv ist ganz offensichtlich bemüht, wie eine westliche Großstadt von Welt auszusehen und baut gerade nicht nur in massiv in die Höhe, sondern verbessert auch die Straßen und Verkehrsverbindungen wo es nur geht. Dazu gehören auch Fahrradstreifen, die zum großen Teil von CityBikes bevölkert werden, die man sich an den vielen Stationen einfach ausleiht und wieder abstellt. Mit dem Fahrrad ist man wirklich innerhalb von 30 Minuten überall da, wo man hin möchte, also, wer vor hat nach Tel Aviv zu reisen, sollte sich über das Mieten dieser Fahrräder informieren!
Es fiel mir wirklich schwer, mich aus dem Wasser zu verabschieden, aber ich hatte die Warnung aller möglichen Leute im Ohr, dass man 3 Stunden vor Abflug am Flughafen sein sollte, um unnötiges Bangen und Rennen zu vermeiden. Pflichtbewusst machte ich mich also rechtzeitig auf den Weg und stand tatsächlich 1 Stunde lang in der ersten Schlange, die noch vor dem normalen Check-in war! Während man darauf wartete, seinen Koffer in ein riesiges Röntgengerät stecken zu dürfen, wurde man ständig ausgefragt: Wo sollte es hingehen? Wie lang sei man in Israel gewesen? Und wo? Und warum überhaupt? Und wen hätte man alles getroffen? Etwa Geschenke angenommen?
Ich hatte ziemliches Glück, und wurde nach den Standardfragen (Wie lang? Beim wem? Geschenke?) in Ruhe gelassen und auch kein weiteres Mal interviewt. Ein jungsches Mädel neben mir wurde allerdings ziemlich ins Kreuzverhör genommen, irgendwann hatte sie ihre Geschichte den verschiedenen Sicherheitsleuten (die alle zwischen 17 und 21 gewesen sein müssen) so oft erzählt, dass ich sie vermutlich auch wahrheitsgetreu hätte wiedergeben können. Minuspunkte gab’s wohl v.a. dafür, dass sie den Namen der Schule nicht wusste, die die Freundin, welche sie besuchte, gerade abgeschlossen hatte. Und dass sie sich nicht sicher war, ob die Mutter der Freundin wirklich Single ist oder nicht. Nun ja. Wahrscheinlich dienen die Verhöre und Untersuchungen ja auch der Sicherheit des Befragten, denn alleinreisenden weiblichen Teenagern könnte man ja schon zutrauen, dass sie sich von glutäugigen Fieslingen irgendwas haben aufschwatzen lassen. Ich machte anscheinend einen hinreichende gefestigten Eindruck 😉 Ich vertiefte mich jedenfalls in mein Buch, denn das einzig positive an der ganzen Schlangensteherei war, dass ich mehrere Stunden lang in meinem „politisch-historischen Reiseführer“ für Jerusalem schmökern konnte.
Also Jerusalem. Ich fühle mich immer noch nicht wirklich in der Lage, einen angemessenen Bericht über diese Stadt zu schreiben, aber ich schreib einfach mal weiter aus meiner völlig subjektiven und bei Weitem nicht umfassenden Sichtweise. Ich habe mich überhaupt nicht wohl gefühlt in der Stadt, das lag zum einen an der Hitze und an der Höhenlage, die alles extrem gleißend erscheinen lässt. Aber es war nicht nur das. Die Stadt hat mich einfach nicht so getouched, wie ich das erwartet hatte. Als wir durch die Gassen der Altstadt gingen, hatte ich das Gefühl, durch eine Filmkulisse oder ein Museum zu laufen – alles war gepflastert, überall sah man nur Mauern und Häuser, niemals ein Fleckchen Grün oder Erde. Ohne den Reiseleiter hätten wir uns vermutlich auch sofort verirrt, denn alles sieht ja irgendwie gleich aus, wenn man nicht weiß, worauf man achten soll, überall war es gleich eng und zugestellt mit diversen, quietschbunten Waren, vom SpongeBob-Handtuch über T-Shirts mit dämlichen Sprüchen bis hin zu religiösen Souvenirs.
Die größte Desillusionierung hielt der Besuch der Grabeskirche bereit. Ich habe noch nie so eine merkwürdige, lieblos zusammengeschusterte Kirche betreten. Dadurch, dass sich viele verschiedene christliche Kirchen (griechisch-orthodox, Armenier, Katholiken usw.) anscheinend darum streiten, wem die Kirche gehört und wer darin wie viel Zeit und Platz beanspruchen kann, ist die Kirche ziemlich verwahrlost. Denn theoretisch müssten sich alle Interessengruppen einigen bevor irgendwelche Veränderungen an der Kirche verwirklich werden dürfen, passiert einfach gar nichts. Das nimmt wirklich bizarre Formen an, berühmt ist eine Holzleiter, die mitten über dem Eingang steht – und das seit über 150 Jahren! Weil keiner weiß, wer sie da hingestellt hat und wem der Platz unter dem Fenster gehört, wird sie einfach nicht bewegt. Tja. Was soll man da noch sagen…Im Reiseführer konnte ich einen sehr launig geschriebenen Abschnitt über die „erfolgreichste Archäologin aller Zeiten“ lesen, als die die Mutter von Konstantin (der Konstantinopel-Konstantin, um 300 n.Chr.) gelten darf. Sie war diejenige, die das Christentum im Prinzip fest in Jerusalem verankert hat und praktischerweise vielen jüdischen Mythen und Heiligtümer einfach ein neues Label verpasst hat. Zum Beispiel ist für die Juden der Tempelberg deswegen so wichtig, weil ihrer Meinung nach von dort die Schöpfung und auch der erste Mensch ihren Anfang nahmen. Konstantins Mutter verkündete, dass sie auf dem ein paar hundert Meter entfernten Platz, wo Jesus gekreuzigt wurde, die Gebeine des ersten Menschen entdeckt hätte. (Immerhin streiten sich deswegen die Christen nicht auch noch um den Tempelberg)
Das Mittagessen nahmen wir in einem relativ typischen „Restaurant“ ein, vermutlich ein Familienbetrieb mit guten Connections zum Reiseleiter. Die Einrichtung war ein buntes Sammelsurium, verstaubte Blechkannen in der einen Ecke, Spiegel in Herzform an den Wänden, daneben scheinbar wahllose Kitschbilder und Rabatz machende Kanarienvögel. Das Essen war göttlich, Humus, Sesampaste, Auberginen, Oliven, Paprika, Falafal und herrlichste Gewürzsaucen – es war wirklich ein Fest. Leider blieb keine Zeit für einen Kaffee, denn der Reiseleiter drängt unerbittlich auf die Erfüllung seiner Agenda.
Die führte uns schnurstracks zur Klagemauer, dem letzten Überbleibsel des 2. riesigen jüdischen Tempels, der vor knapp 2000 Jahren zerstört wurde. So wenig wie ich bei der Grabeskirche nachvollziehen konnte, was die Christen an ihr so schätzen, konnte ich mich mit der Klagemauer „identifizieren“. Die Mauer wird wirklich verehrt als etwas extrem Heiliges, man durfte sich nur rückwärts von ihr fortbewegen, weil man ihr nicht den Rücken zukehren darf. Eine Mauer, die beleidigt ist, wenn ich ihr den Rücken zuwende. Nun ja. Interessanter als die Mauer fand ich sowieso die Menschen, die sich dort versammelten. Da waren die offensichtlich streng Gläubigen in ihren typischen schwarzen Anzügen, aber vor allem waren viele Jungsoldaten und –soldatinnen da, die anscheinend auf Klassenfahrt waren (wie nennt man das bei der Armee? Kasernenausflug?).
Direkt um den Tempelberg und die Klagemauer herum gibt es ein wirklich sehr sehenswertes und erstaunliches archäologisches Museum, das mir die Ausmaße des Tempels auf dem gleichnamigen Berg erstmal klar machte. Bis dahin hatte ich irgendwie gedacht, dass der Felsendom, den man dank seiner goldenen Kuppel als Wahrzeichen von Jerusalem durchaus kennt, größenmäßig dem legendären 2. Tempel entspräche. Aber das war eine völlige Fehlannahme, denn der 2. Tempel muss wirklich enorme Ausmaße gehabt haben – ich kann das gar nicht beschreiben, sondern werde einfach Fotos sprechen lassen.
Im Israel-Museum fand der lange Tag schließlich ein Ende – wer vor hat, nach Jerusalem zu reisen, dem kann ich das Museum nur empfehlen. Sicherlich auch als Start gut geeignet, denn eines der spektakulärsten Ausstellungsstücke ist ein ziemlich großes Modell von Jerusalem wie es Jesus gesehen hat, also kurz vor der Zerstörung des 2. Tempels. Außerdem gibt es einen beeindruckenden Ausstellungsraum, wo die Schriften von Qu’ram zu sehen sind. Und noch vieles mehr…
Es fällt mir immer noch schwer, ein Fazit dieses einen, einzigen Tages zu ziehen, den ich in Jerusalem verbrachte. Es ist eine faszinierende Stadt, für mich vor allem aus historischer Sicht. Um sie besser zu verstehen, braucht man viel mehr Tage und vor allem Interaktion mit den Menschen, die da leben. Unser Reiseführer war glücklicherweise nicht allzusehr auf political correctness aus und erzählte sehr viel aus seiner (jüdischen) Sicht, was vielen (eigentlich nur den Deutschen) in der Gruppe aufstieß, aber ich fand es viel aufschlussreicher als wenn er neutral die Fakten wiedergegeben hätte. Natürlich hätte ich mir gewünscht, dieselbe Führung noch mal mit einem muslimischen Reiseleiter zu machen, denn viele Dinge wie z.B. die furchtbare Mauer, die Jerusalem seit wenigen Jahren umgibt und die Stadt vor Attentätern schützen soll, wurden kaum angesprochen. Alles in allem habe ich immer noch keine wirkliche Ahnung davon, wie der Konflikt über diese Stadt solche furchtbaren Ausmaße annehmen konnte, was mich noch mehr verblüfft, ist der krasse Gegensatz zu Tel Aviv, das keine Autostunde entfernt davon ist. Jerusalem wirkt innerhalb der Altstadt wirklich wie völlig in der Zeit stehen geblieben, aber nicht in einem romantisch-verklärtem Sinn, sondern so als ob man die Zeit mit aller Macht am Stillstand hält, sodass ja kein Fortschritt (welcher Art auch immer) Einzug halten kann.