Aus gegebenem Anlass zunächst die Beweisfotos, dass trotz Notstandsausruf und Weltuntergangsregeln bislang alles noch eher im grünen bis gelben Bereich ist.
Die Gehwege sind deutlich besser geräumt als die Straßen, sodass mein Heimweg kein Problem darstellte – ich meine, dass ich bei ähnlichen Verhältnissen in Freiburg noch mit dem Fahrrad fuhr, wobei das zugegebenermaßen keinen Spaß mehr machte. Jedenfalls hat die Ausrufung des Ausnahmezustands den angenehmen Effekt, dass keine Autos mehr fahren dürfen und ich deswegen statt Gehupe das Jauchzen der Kinder höre, die im Innenhof eine Schneeballschlacht veranstalten. Ich hoffe, dass alles so entspannt bleibt, aber wer weiß, was die Nacht noch bringt. Dass ein Schneesturm bevorsteht hätten Till und ich am Wochenende fast nicht mitbekommen, denn wir haben natürlich weder Radio noch Fernsehen konsumiert, aber als wir am Sonntag Nachmittag nach einem ausgedehnten, wenn auch zielgerichteten Spaziergang über den Central Park und die 5th Avenue (die, wo alle Klamottenläden und Designer, die was auf sich halten, einen Flagship Store haben) schließlich im Supermarkt ankamen, war dort wirklich die Hölle los. Ich hatte schon vorher gelesen, dass dieser Supermarkt oft brechend voll ist, weil er ein für Manhattaner Verhältnisse gutes Preis-Leistungsverhältnis hat, aber als wir dann sofort nach Betreten des Ladens schon das erste Mal in einer Warteschlange landeten (um einen Einkaufswagen zu kriegen), waren wir doch überrascht. Till schlug vor, sich direkt in die Schlange für die Kasse anzustellen, die so lang war, dass mehrere Angestellte damit beschäftigt waren, sie zu managen (z.B. trug einer das Schild mit der Aufschrift „end of line“). Und obwohl ich wirklich viel einkaufen musste und das in einem mir unbekannten Laden, musste sich Till nur zweimal von Neuem anstellen bis wir gemeinsam den Endgegner, äh, Kassierer erreichten. Jedenfalls hatte Till genug Zeit für Chit-chat mit anderen Wartenden, sodass er herausfand, dass der Ansturm wohl wegen des bevorstehenden Blizzards so immens sei (ich versuche immer noch herauszufinden, wieso die einzigen Produkte, die wirklich komplett ausverkauft waren, Ingwer und Knoblauch waren – sind Schneestürme mit einem verstärkten Auftreten von Vampiren verknüpft?). So erfuhren wir also von dem drohenden Unwetter, wobei das bei strahlendem Sonnenschein gestern nur schwer zu glauben war – außerdem hatten wir am Samstag gesehen, mit welch martialischen und teils übertriebenen Maschinen den moderaten Schneematschfällen von Freitagnacht zu Leibe gerückt wurde, sodass wir uns eigentlich keine Sorgen machten (3 Fuß Schnee klingt ja auch eher nicht nach Weltuntergang, wenn auch nach Verkehrschaos, was dann in NYC vielleicht doch einer Katastrophe gleich kommt).
Ansonsten gibt es wenig Spektakuläres zu berichten – die dramatischsten Minuten für mich waren Freitag Nacht als ich deutlich unterzuckert im unfassbar großen Busbahnhof auf Tills Ankunft wartete. Der Bahnhof ist teilweise komplett unterirdisch, hat mehr als 80 Gates und extrem spärliche Anzeigen, sodass es quasi unmöglich ist, herauszufinden, an welcher Stelle welcher Bus ankommt – und selbst als ich dachte, am richtigen Gate zu stehen, wusste niemand, ob der Bus aus Boston schon angekommen war oder noch würde und ob das überhaupt jemals geplant war. Dafür gab es eine deutlich Anhäufung von eher zwielichtigen Gestalten. Aber Ende gut, alles gut, denn als ich gerade wieder gehen wollte, spazierte Till endlich hinein und nach einem kurzen Ausflug auf den Times Square kamen wir gegen ein Uhr morgens wohlbehalten in der Upper East Side an.
Am nächsten Morgen standen wir recht früh auf, denn ein Freund wollte gegen halb neun eine Matratze vorbei bringen – allerdings stellte er um acht fest, dass sein Auto komplett eingeschneit war (er lebt derzeit „auf dem Land“), sodass Till und ich erstmal ein ausgedehntes Bagel-Frühstück zu uns nahmen bevor wir die Matratze in den Lastenaufzug wuchteten. Der Lastenaufzug an sich ist zwar etwas höher (und weniger schick) als der normale Aufzug, allerdings ist er nur auf eher verschlungenen, verwinkelten Kellerpfaden zu erreichen, was aber anscheinend nur in meinen Augen unpraktisch ist. Immerhin schafften es die beiden Männer noch ein Schlafsofa aus dem Nachbargebäude in meine Wohnung zu bugsieren, sodass ich jetzt tatsächlich schon eine gar nicht so ungemütliche Sitzgelegenheit habe.
Die weiteren Eindrücke überlasse ich jetzt Till zum Schildern, schließlich war er der Touri! Ich füll mir jetzt noch ein paar Töpfe mit gefiltertem Leitungswasser, drehe die Heizung auf und bin gespannt, wie Manhattan die kommende Nacht übersteht.
UPDATE: Es scheint kaum geschneit zu haben in der Nacht, ich bekam auch gerade die SMS von der Stadt, dass die Straßen nun wieder befahren werden dürfen.
Oh ja, an dieses Busterminal erinnere ich mich bei meinem allerersten NYC-Besuch, wo ich noch mit DDR-Pass reiste und kaum ein Wort English verstand. Man hatte mir eingeschärft, ich solle mir bloß gut merken, wo der Bus ankommt, denn dort würde der Bus auch wieder abfahren. Das kam mir ziemlich dramatisch vor, ich kannte halt den Erfurter Busbahnhof bis dahin…. Ich verstand dann schlagartig, als der Bus in diesem Gebäude wild herumkurvte…
Ach ja, das ist bald 25 Jahre her! Unglaublich.
Und nun toben meine Kinderlein dort herum.
Schön, dass der Schnee den Wetterbericht nicht so genau genommen hat!