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Meine Arbeit hier

In den letzten Beiträgen stand ja vor allem die Freizeitausnutzung im Vordergrund – nebenbei habe ich natürlich auch ab und an gearbeitet – wann immer es der Freizeitstress zuließ, versteht sich.

Also, noch mal ein bisschen zur Auffrischung: Das Labor, in dem ich hier arbeite, gehört zur Gruppe der Evolutions-Genetiker, das heißt, unsere Gruppe will einen Beitrag dazu leisten, aufzuklären, wie die Kräfte der Evolution die Organismen „geschaffen“ haben, die wir heute sehen und sind. Zur Vereinfachung meiner Ausführungen werde ich Evolution oft in personifizierter Form verwenden, obwohl das wissenschaftlich natürlich völliger Unsinn ist. Die Evolution ist keine aktiv wirkende Kraft, die gestalten kann, sondern sie ist einfach der Überbegriff dafür, dass die Lebewesen, die sich häufiger vermehren können als andere, ihre Gene und damit ihre Eigenschaften an mehr Nachkommen weitergeben können. That’s it. Verzeiht also die eher naive und bildliche Denkweise in den weiteren Ausführungen, aber so denke ich nun mal und anders könnte ich diese ganze Materie beim besten Willen nicht erklären – wahrscheinlich haben deswegen die Creationisten so viel Erfolg, weil man sich einen aktiv wirkenden Designer einfach besser vorstellen kann als einen passiven Vorgang. Anyway!

Evolution kann nur auf der Basis von vererbbaren Merkmalen wirken, deswegen ist es natürlich äußerst sinnvoll, sich die Gene anzuschauen, wenn man mehr über die Evolutionsgeschichte herausfinden will, denn die Gene können uns die Geschichte am besten erzählen – schließlich sind sie es, auf deren Rücken die Selektion stattfindet.

Nun gibt es Gene, die sehr wichtig für das Überleben und die Fortpflanzung eines Organismus sind und andere, die eher Nebenrollen spielen. Zum Beispiel ist es möglicherweise nicht überlebenswichtig, ob man braune oder blaue Augen hat, aber man sollte man möglichst in der Lage sein, Parasiten und Viren rasch und effektiv abzuwehren. Es ist also einleuchtend, dass man davon ausgeht, dass die Gene, die für Proteine kodieren, die im Immunsystem eines Organismus eine Rolle spielen, einem höheren evolutiven Selektionsdruck ausgesetzt sind als z.B. Gene für die Aufgenfarbe. Das bedeutet auch, dass die Gene für das Immunsystem uns wahrscheinlich ziemlich spannende Geschichten erzählen können über die Art und Weise, wie sie sich in den letzten Millionen Jahren verändern mussten, um bis heute zu überleben (bzw. ihren Trägern das Leben heutzutage zu ermöglichen). Fruchtfliegen, die ihren Wein aus Cäsars Schalen stibitzten, mussten wahrscheinlich mit anderen Viren fertig werden als die, die ihr diesen Sommer aus euren Küchen vertreiben wollt. Was die Arbeitsgruppe hier herausfinden will ist, welche Gene damals schon fast die gleichen waren wie heute und welche sich verändert haben, um mit den neuen Viren fertig zu werden.

Meine Aufgabe war es nun, Gene zu finden, die anscheinend dafür verantwortlich sind, mit welcher Häufigkeit Sigma-Virus-infizierte Fliegenmänner dieses Virus an ihre Nachkommen weitergeben. Bei Fliegenfrauen ist die Weitergabe eine sogenannte „Mendel’sche Eigenschaft“, das heißt, es gibt Fliegenfrauen, von denen der komplette Nachwuchs infiziert sein wird und es gibt welche, wo kaum ein Fliegenkind infiziert sein wird. Das bedeutet, dass die einen eine Variante des Gens haben, die dazu führt, dass sie die Infektion weitergeben wird und die anderen haben eine Variante des Gens, die die Vererbung verhindert. Es gibt also zwei Varianten eines Gens – so wie bei Mendel, wo die Erbsen entweder die gelbe oder grüne Blütenfarbe hatten.

Bei der Vererbung des Virus durch den Vater wird das ganze etwas komplizierter, denn wie so oft im Leben, ist es eben nicht schwarz oder weiß (bzw. gelb und grün), sondern es gibt ganz schön viel grau dazwischen. Auf die Fliegen bezogen bedeutet das, dass es eine enorme Bandbreite gibt in der Häufigkeit, in der Fliegenväter das Virus an ihre Kinder weitergeben – es gibt nicht nur welche, die es zu 100% und zu 0% vererben, sondern auch ganz viele, die es zu 15%, 30%, 40%, 50%, 60%, 70% etc. vererben. Das heißt wiederrum, dass es nicht nur zwei Varianten der Gene geben kann, die bei der Virusweitergabe eine Rolle spielen, sondern das es wahrscheinlich ziemlich viele gibt. So etwas nennt man eine quantitative Eigenschaft (quantitative trait locus).

Um jetzt die Gene zu finden, die der Virusvererbung von Fliegenmännern an ihren Nachwuchs zu Grunde liegen, habe ich zwei Fliegenstämme benutzt, deren Männchen genau die Extreme des Spektrums darstellten, die also entweder ganz viel Virus weitergeben oder ganz wenig. Aus Vorarbeiten wussten wir, welchen Abschnitt des Genoms wir uns anschauen mussten, um die Gene zu finden – diese Region war aber eben noch ziemlich groß und meine Aufgabe war es, da ein bisschen reinzuzoomen und den Finger auf die Stelle in der Region legen zu können, wo sich die Gene vermutlich befinden.

Um das zu erreichen, habe ich Nachwuchs hergestellt, die in der bewussten Region eine Mischung aus den beiden Extremtypen haben. Die Rekombination zwischen den Genen für „viel“ und „wenig“ war dabei völlig zufällig, ich hatte also dann etwa 150 Fliegen, von denen ich wusste, dass sie sowohl Genabschnitte von „viel“ als auch von „wenig“ hatten – im Gegensatz zu den ursprünglichen Fliegen, die ja entweder das eine oder das andere hatten.

Der nächste Schritt bestand darin, herauszufinden, an welcher Stelle genau diese rekombinanten Nachkommen die Grenze von „viel“ und „wenig“ in ihrem Genom hatten, denn dadurch dass es ja zufällig passiert war, werden einige der 150 Fliegen z.B. zwei Drittel der Region mit „viel“ und ein Drittel mit „wenig“ haben, wohingegen andere vielleicht genau ein Verhältnis von 50-50 haben usw. Das Ziel war es wirklich, eine Art Landkarte der Genomregion der verschiedenen Mischlinge zu bekommen, auf der ich einzeichnen konnte, bis zu welchem Punkt jede Fliege das Genmaterial für „viel Virusvererbung“ hat – was gleichzeitig der Punkt sein sollte, ab dem das Genmaterial von „wenig Virusvererbung“ beginnen sollte.

Ich muss dazu sagen, dass wir bestimmte Kennzeichen haben, anhand derer wir sagen können, was das Material von „viel“ und welches das von „wenig“ ist – fast so als ob wir die ursprünglichen Genvarianten mit Farben markiert hätten, sodass ich dann bei der Genanalyse meiner Fliegen wirklich sehen konnte, bis wohin auf dem Genom die Fliege das eine Erbgut hatte und ab wann das andere begann.

Diese Einteilung war der erste Teil meiner Analyse. Die eigentliche Frage war ja aber: Wo in dieser ziemlich großen Region befinden sich denn nun die Gene, die für die Eigenschaft der Vererbung zuständig sind?? Was ich bis dahin gemacht hatte, war, diese Region aufzusplitten, nämlich in Bereiche mit „viel“ und „wenig“, jetzt wollte ich wissen, welches Bruchstück von „viel“ und „wenig“ dafür zuständig war, dass der Fliegenmann auch tatsächlich die Eigenschaft hatte, das Virus viel bzw. wenig weiterzugeben. Das heißt, ich testete meine Männer diesbezüglich (bzw. ihren Nachwuchs) und verglich dann die Häufigkeit der Weitergabe mit meiner „Landkarte“, die ich vorher erstellt hatte. Damit konnte ich feststellen, wie groß der Anteil von „viel“ sein musste, damit die Fliegenmänner auch tatsächlich viel Virus weitergaben, das heißt, ich kann sagen, welcher Bruchteil der ursprünglich sehr großen Region für „viel“ (bzw. „wenig) dafür verantwortlich ist, dass das Männchen auch wirklich die Eigenschaft der hohen (bzw. niedrigen) Weitergabe hat.

So die Theorie (die übrigens nicht meine Idee war, sondern schon seit 100 Jahren von Fruchtfliegenforschern so oder so ähnlich angewendet wird). In der Praxis hat das leider nicht ganz so gut geklappt – sprich: die Landkarte, die ich habe, passt nicht besonders gut zu meinen Testergebnissen bezüglich der Virusweitergabe, deswegen fällt das Vergleichen der beiden sehr, sehr schwer. Aber nachdem ich die ganze Woche ziemlich frustriert war, weil eben die Arbeit der letzten zwei Monate für umsonst schien, habe ich gerade festgestellt, dass ich echt ne ganze Menge gelernt habe – im Februar hätte ich so einen Text wie hier noch nicht schreiben können, denn wie man so schön sagt auf Englisch: Genetics was all Greek to me. Vor zwei Jahren hat mich die Genetik-Klausur noch fast an den Rand der Studiumsaufgabe gebracht, weil ich einfach null Durchblick hatte (dafür stelle ich aber auch Prof. M. Hotmountain an den Pranger, dessen didaktische Kompetenz in der Hinsicht gegen minus unendlich ging!), aber jetzt habe ich doch das Gefühl, zumindest ein paar Grundprinzipien des Genkartierens etc. verstanden zu haben. Und wie heißt es doch: Always look on the bright side of life….Cheers!

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16. Mai 2009 angela

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One thought on “Meine Arbeit hier”

  1. Michael sagt:
    27. Mai 2009 um 20:01 Uhr

    Friedi, danke für die ausführliche und gut lesbare Beschreibung. Sag mal, warum habe ich das Gefühl – ich denke an den römischen General im Mosaik: „Die Karte ist richtig. Die Landschaft ist falsch!“ Vermutlich würden deine Versuche, auch wenn du sie mit 5 mal mehr Fliegen gemacht hättest, ähnliche Ergebnisse bringen. Oder? Also stimmt irgendwie die Fragestellung bzw. die Hintergründe der Fragestellung nicht ganz. Na wer weiß.
    Und was kommt nun in den Abschlussbericht?

    Dein Michael

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