Diese Woche verging wieder wie im Flug! Nachdem ich letzte Woche die ganze Zeit im Labor stand und zermantschte Fliegen analysiert hatte, musste ich diese Woche die passenden Fliegenmutanten heraussuchen und verpaaren. Das bedeutet, dass ich aus 140 Röhrchen à ca. 30 Fliegen Männchen aussortieren musste, die kurze "Haare" hatten, denen aber nicht zwei bestimmte Haare im "Nacken" fehlen durften – da ich noch ziemlich langsam bin, hab ich dafür drei volle Arbeitstage gebraucht! Weil ich die ganze Zeit allein im Fliegenlabor war, denn meine Fliegen sind noch nicht durch die Quarantäne durch, sodass ich mit ihnen nicht ins große Fly Lab darf, war es zeitweise einfach unglaublich langweilig – zunächst half das Radio – das lokale Programm hielt ich aber nur zwei Stunden aus, denn zum vierten Mal wollte ich die gleichen Lieder dann doch nicht hören. Am nächsten Tag schleppte ich also meinen Laptop ins Labor, um, schlau wie ich bin, vom digitalen Radio zu profitieren. Leider fiel mir dabei aber meine Unerfarhenheit mit dem Medium auf die Füße, denn ich kenne leider nicht genügend nette Angebote und Podcasts und Zeit zum Danachsuchen hatte ich einfach nicht. Also gabs erstmal BBC Worldwide – das war super, aber leider wiederholen die nachmittags teilweise die Sendungen vom Vormittag, sodass ich am Ende in meiner Verzweiflung sogar bei Radio France landete – wer meine Beziehung zur französischen Sprache kennt, weiß, in welcher Verfassung ich mich dafür befunden haben muss! Außerdem wurde ich die ganze Zeit von der blöden Klimaanlage befallwindet, wodurch sich auch meine Erkältung nicht besserte und zeitweise so schlimm wurde, dass ich nur noch krächzen konnte. Dagegen half aber wundersamerweise eine Gesprächstherapie – zwei Stunden deutsch Quasseln mit einer Kommilitonin im Anchor (uriger Pub direkt am Cam, mit direkter Aussicht auf Touris, die 25 Pfund dafür bezahlen, sich beim Punten lächerlich zu machen) und schon waren die Halsschmerzen am nächsten Morgen weg und die Stimme wieder da.
Außerdem war ich zu zwei weiteren Stricktreffen, die netterweise Stash Swaps waren, d.h. jeder brachte seine Wollschätze mit, die frau realistischerweise nicht mehr selbst verwerten würde. Natürlich waren viele Polytierchenreste da, aber auch echt nette Sachen, z.B. viele Knäule Rowan und Debbie Bliss, ich selbst habe mir Sockenwollreste und Baumwollreste für die Babystrickerei gesichert (nein, ICH bin nicht schwanger).
Ach ja, zum Thema Wetter nochmal – nachdem ich es ja letzte Woche in den höchsten Tönen gelobt hatte, hielt diese Woche der April Einzug – Sturm, Regen, Hagel – alles war dabei. Aber das Nette ist, dass man einfach fünf Minuten warten muss, dann scheint wieder die Sonne für die nächste Viertelstunde.
Nach dem Small Talk nochmal zur Arbeit zurück. Gestern tanzte ich nämlich extra früh im Labor ab, um alle meine Kreuzungen anzusetzen bevor eine kleine Vortragsreihe stattfand. Anlässlich des Umzugs von Edinburgh nach Cambridge, den "meine" Arbeitsgruppe ja vor kurzem hinter sich brachte, hatte ein Post-Doc von uns vorgeschlagen, dass sich alle Arbeitsgruppen, die in Cambridge im weitesten Sinne an Themenkomplex Evolutionary Genetics arbeiten, mal gegenseitig vorstellen. Das fand gestern statt – ich war überwältig von den vielen Leuten, die sich dafür einfanden, ich würde schätzen, an die 50 – und dabei sind viele PI (Principal Investigators, also Arbeitsgruppenleiter) gerade im Ausland und konnten gar nicht kommen. Die Vorträge waren wie immer sehr gemischt – von unterhaltsam-verständlich über abgehoben bis hin zu schlicht unverständlich war alles dabei, wobei die meisten wirklich interessant waren. Am spannendsten für mich persönlich war die Themenvielfalt, die sich da ausbreitete, eine Arbeitsgruppe gefiel mir besonders, denn deren PhD-Studenten und Post-Docs arbeiten an so unterschiedlichen Themen wie der Evolution des Farbensehens bei Menschenaffen (untersucht anhand von Dungproben, die im Dschungel gesammelt werden), dem Paarungsverhalten Costaricanischer Frösche (das mit Hilfe selbst hergestellter tönerner farbiger Frösche untersucht wird) und der Entwicklung von Kopffederfarbwechseln irgendeines afrikanischen Vogels. Desweiteren wurden Projekte über die Anzahl von Flügelpunkten bestimmter Schmetterlinge, die Farbgebung von Marienkäfern und die Embryonalentwicklern von zweiflügeligen Insekten (Dioptera) vorgestellt – das war insofern eine ganz neue Erfahrung für mich, als dass die Forschung, die wir während unseres Studiums kennengelernt haben, immer anwendungsorientiert, also irgendwie immer einen direkten Bezug zur Verbesserung menschlicher Krankheiten hatte. Die Leute hier allerdings sind zum Teil wirklich Biologen, wie man sich das halt vorstellt, die zum Teil schon als Kinder Würmer und Käfer gesammelt haben – oder zumindest jetzt als Erwachsene Freude daran finden, Gorillakot zu sammeln, Marienkäferpunkte zu zählen und auszumessen oder Fröschen im Dschungel bei der Paarung zuzuschauen. Ich käme ja im Leben nicht auf die Idee, die Punkte auf den Flügeln einer bestimmten Schmetterlingsart zu zählen und darüber Gesetzmäßigkeiten aufzustellen. Oder die Formen der Farbflecken auf Vögelköpfen zu vergleichen. Ich sage nicht, dass diese Art der Forschung nicht auch ihre Berechtigung hat, aber für mich bestätigt das, dass ich mit der Biomedizin das richtige Fach gewählt habe, denn am spannendsten fand ich dann doch wieder den Vortrag über die weltweite Verbreitung von Grippeviren, der die Ergebnisse einer riesigen von der WHO in Auftrag gegebenen Studie vorstellte (die Vorfahren aller Grippeepidemien in Europa und Nordamerika stammen immer aus Ostasien, mit dem Ende einer Epidemie verschwinden sie dann weitestgehend bis wieder neue Viren aus Asien eingeschleppt werden – damit wurde die "Seed"-Theorie bestätigt und die "Persistance"-Theorie, die besagt, dass die Viren zwischen den Epidemien vor Ort bleiben, um dann nach einer Art "Winterschlaf" wieder zuzuschlagen, widerlegt).
Desweiteren habe ich mir vorgenommen, demnächst meine zwei freien Wochenendtage in die Woche zu verlegen, denn samstags und sonntags ist es wirklich kaum auszuhalten in der Stadt – soooo viele Touristen, und da das Zentrum so beschaulich ist, verläuft sich da auch nix…Auch die ganzen Museen sind völlig überfüllt an den Wochenenden, dabei will ich unbedingt mal ins Fitzwilliam Museum, das "finest small museum in Europe". Da demnächst die Fliegenjungfrauensammelei beginnen wird, wo wir alle 6-8 Stunden die frischgeschlüpften Fliegenmädchen einfangen müssen (ja, auch nachts), solte sich das vielleicht sogar mal einrichten lassen…