Meine Häkeldecke wächst. Allerdings sehr langsam und sie schluckt dabei unglaubliche Mengen an Garn. Im Geiste kategorisiere ich meine Wollreste ja nach „das gibt eine halbe Mütze“ oder „das muss in ein Magic-Ball-Projekt“ (also sowas oder sowas). Die Reste für eine halbe Mütze wiegen dabei so um die 20-30g, alles andere, was weniger ist, also gerne auch nur 5g, nehme ich für die Restedecken oder sonstige Projekte. Mit einem 5g-Rest komme ich bei der Decke aber echt nicht mal eine Reihe…. Bei meinen Restedecken in Sockenwollstärke war das aber schon eher eine normale Menge, die ich pro Farbe verstrickt habe.
Ich hab beschlossen, ich häkele vor mich hin, bis meine Reste alle sind. Entweder die Decke ist dann auch fertig oder es fehlt halt noch was – da geht sie dann irgendwo in die Ecke und wartet darauf, dass ich wieder Reste produziere. Vielleicht ist meine Lust auch schon zu Ende bevor ich alle farblich passenden Reste verarbeitet habe. In naher Zukunft wird diese Decke auch definitiv ein „Winterprojekt“ sein, dass einen wärmt beim Häkeln. Nun ja, wir werden sehen.
Ansonsten habe ich gerade etwas „mentalen Stress“ mit einer Ärztin. Sie vertritt eine Meinung, die weder das Krebsforschungszentrum teilt noch diverse andere Krebszentren in den USA. Und ich merke, wie schwer es mir fällt, mich bei dieser einen Sache gegen die Ärztin zu entscheiden. Das ganze Problem bei einer schweren Erkrankung ist, dass man letztlich als Patient natürlich über die anzuwendenden Therapien und Medikamente entscheiden muss. Und da fühlt man sich schnell einfach mal verloren. Ärzte können einen Rat geben, basierend auf ihrer Erfahrung, welche Behandlung angezeigt ist. Aber ob man dem Rat folgt, liegt letztlich im Ermessen des Patienten. Und da ist es oftmals eine sehr, sehr schwere Entscheidung, was man macht. Ich bin in der unheimlich glücklichen Lage, dass meine Tochter in der medizinischen Forschung arbeitet, sie liest Studien ganz anders, findet auch Fachartikel, die „Otto-Normal-Patient“ niemals finden würde. Deshalb habe ich auch in der ganzen Zeit seit meiner Diagnose nicht angefangen, wild herum zu googeln. Ich kann als medizinischer Laie ja gar nicht einschätzen, was seriöse Informationen sind und was nicht. Ich lasse sozusagen das Töchterchen für mich lesen und „vorfiltern“.
Nun ist es grundsätzlich so, dass es mir ja ziemich gut geht, aber all die Entscheidungen und auch die bürokratischen Akte rund ums Kranksein sind schon anstrengend. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie Menschen damit umgehen, die deutlich schwächer/kränklicher sind als ich. Meine Lebenserfahrung sagt mir einfach, dass es überall in jeder Berufsgruppe sehr gute Experten gibt, aber auch Typen, um die man einen Bogen machen sollte… das trifft auf Klempner, Lehrer, Programmierer, Bäcker und eben auch Ärzte zu. Wenn ein Klempner pfuscht beim Anschließen von Wasserleitungen, dann kann das sehr unangenehm nass werden – es bringt Ärger und kostet ggf. Geld zur Beseitigung. Entscheidungen von Ärzten haben unmittelbare Auswirkungen auf meine Gesundheit und Ärzte sind eben auch nur Menschen. In dem neulich schon mal erwähnten Buch „Risiko“ von Herbert Gigerenzer wird dieses Problem auch sehr ausführlich beleuchtet. Aus Angst vor Fehlern bzw. vor Verklagtwerden durch Patienten wählen Ärzte oft Behandlungen, die sie ggf. für sich selbst oder ihre Familien nicht wählen würden.
Wenn Sie denken, Ihr Arzt empfiehlt Ihnen die beste Behandlungsmethode, haben Sie vielleicht recht – und Glück. Eine beträchtliche Zahl von Ärzten fürchtet jedoch, ihre Patienten könnten sie verklagen, wenn sie eine Krankheit übersehen oder keine aggressive Therapie vornehmen. Sie glauben, sie hätten keine andere Wahl, als überflüssige Tests, Medikamente oder Operationen vorzuschlagen, selbst auf die Gefahr hin, dem Patienten zu schaden. Ihren eigenen Ehepartnern und Kindern, bei denen die Gefahr juristischer Konsequenzen geringer ist, würden sie diese Eingriffe nicht vorschlagen. In der Schweiz etwa beträgt die Rate von Hysterektomien – Entfernungen der Gebärmutter – 16 Prozent, während sie bei Arztfrauen und Ärztinnen bei nur zehn Prozent liegt.
Quelle: Herbert Gigerenzer, „Risiko“
Ich kann das aus Sicht der Ärzte gut nachvollziehen – aber es ist halt einfach anstrengend, sich selbst eine Meinung zu bilden und die dann auch gegenüber den medizinischen Fachkräften zu vertreten. Abgesehen davon, dass man ja selbst auch seinen inneren Frieden mit getroffenen Entscheidungen machen muss. In meinem konkreten Fall hätte ich mir von der Ärztin einfach etwas mehr Entgegenkommen gewünscht und keine pauschalen Urteile im Sinne von „das macht man aber so“ (und ich, Patient, habe das gefälligst so hinzunehmen). Ich anerkenne auf jeden Fall die fachliche Expertise von Ärzten, aber jegliche Behandlungsentscheidung muss letzendlich ich als Patient treffen und – man beachte das Wortspiel – sie betrifft halt auch mich, meinen Körper und im Ernstfall mein Leben. Und dafür erwarte ich dann wiederum das Verständnis bei den Medizinern. Aber ich will nicht zu sehr nölen – ich bin in den letzten Monaten auf sehr angenehme, mitfühlende und verständnisvolle Ärzte und Pflegekräfte gestoßen.
Post scriptum
Wie es der Zufall so will - kaum hatte ich diesen Beitrag online, hatten wir das Vergnügen, mal wieder Handwerker zu erwischen, die auch nicht gnaz optimal funktionieren. Es geht um den Einbau diverser Gerätschaften, dazu haben wir mehrere Termine mit der Firma gehabt, vor 3 Wochen noch mal ein Telefonat, in dem wir klar gemacht haben, dass die Geräte exakt an die von uns vorgesehenen Plätze müssen, sonst lassen wir den Einbau. Und was passiert?! Genau, heute sagt ein Mitarbeiter dieser Firma, dass die Geräte nicht an den vorgegebenen Platz passen. Mein Mann erwähnte noch eine spezielle Box, die doch eigentlich funktionell mehrere der Teile ersetzen würde, die er verbauen wolle. Darauf fragte der Handwerker, welche Box mein Gatte meine.... argh.... Vertrauen kommt da nicht auf.
Viele gute Wünsche für diese Unterscheidungsarbeit!
„Das macht man so“ ist kein wissenschaftliches Argument; auch mit medizinischen Laien sollte man etwas mehr Wissen teilen können.
Bei Zeitnot könnte sie ja auch Fachliteraur zu lesen empfehlen bzw. eine gute allgemeinverständliche Darstellung, sowas gibts ja.
„Das macht man so“ ist irgendwie das absolute Totschlagargument und wirklich nicht das, was man von einem Arzt hören möchte. Gut, dass Deine Tochter Dich unterstützen kann. Ich drücke weiter Daumen.
Ganz liebe Grüße
Andrea
Hinzu kommt, dass Ärzt*innen unseren jüngsten Erfahrungen nach auch oftmals Probleme damit haben, Fehler zuzugeben (jaja, wer kann das schon..). Klar, wenn ich als Äarzt*in permanent daran denke, verklagt zu werden, gebe ich sicher nicht noch einen Fehler zu. Im Umkehrschluss heißt das ja aber leider auch, dass es genug Patient*innen gibt, die wohl vor einer Klage nicht zurückscheuen. Riecht nach Vertrauensbruch auf beiden Seiten.
Und nun?
Vielleicht hilft es ja, dein Unwohlsein ganz offen und ehrlich anzusprechen. Aber: es ist nur so unfassbar schwierig, dafür einen richtigen Rahmen zu finden, denn zwischen Tür und Angel ist so was nicht gut geklärt und birgt eher Eskalationspotential. Oder aber über Bande spielen und die Ärztin fragen, der du vertraust, ob sie das Gespräch für dich suchen/initiieren könnte. Es wirkt ja anders, wenn eine Fach-Kollegin ankommt.