Meine erste volle Woche geht zu Ende!
Am Freitagabend war ich mit Rohan (Kanada) und Arian (Iran) in einem Jazz-Club, der mit von meinem Supervisor an der Uni empfohlen wurde. Das Programm hörte sich sehr vielversprechend an, denn es wurden zu Ehren der Mabo-Entscheidungdrei Jazz-Bands mit Aboriginehintregrund eingeladen. Rohan klärte mich über Mabo auf, denn ich hatte vorher noch nie etwas davon gehört. Es war also ein leicht politisierter Abend, was ich aber sehr interessant fand, denn über Australien hört man in Deutschland doch recht wenig. Als mich meine Vermieterin beispielsweise fragte, was Deutsche über Australier denken, konnte ich nicht wirklich antworten, denn für mich war Australien bisher immer mehr mit seiner Landschaft und seinen Tieren verbunden als mit seinen Menschen; sehr verblüffend. Die drei Combos hätten verschiedener auch kaum sein können: Sängerin und Piano (sehr ruhige, aber gelungene Vorstellung diverser Jazz-Standards), Jazz-Combo mit Sängerin (solider Groove), Band mit drei (!) Gitarren, die mich stellenweise an Wallis Bird erinnerte. Danach genossen wir noch ein wenig die Großstadtstimmung, in dem wir unsere Räder in Richtung unserer WG schoben.
Am Samstag machte ich mich auf den Weg, um Melbourne weiter zu erkunden. Zunächst kaufte ich mir eine Hose in einer der berühmten Einkaufsstraßen von Melbourne. Danach fuhr ich mit dem Rad zum Federation Square, einem berühmten Platz am Ufer des Yarra. Dort pulsiert das Leben: diverse Touristen und Einheimische strömen von hier nach dort, Straßenkünstler zeigen ihre Tricks und die Sonnenstrahlen werden genossen, so gut es nur geht. Eigentlich wollte ich noch weiter nach Süden, um vielleicht an die Bucht zu kommen, doch ich blieb am ACMI hängen: ein unglaublich gut gestaltetes modernes Museum, in dem sich alles um das ‚bewegte Bild‘ dreht. Dort gibt es eine sehr große Ausstellung, in der man kostenlos an Führungen teilnehmen kann – und das tat ich. Besonders beeindruckt hat mich der Teil ‚Sensations‘, der so auch gut und gern eine Ausstellung im ZKMhätten sein können. Es geht darum, wie das Medium Film wirkt, mit welchen Möglichkeiten man verschiedene Reaktionen stimulieren kann. Es gab beispielsweise eine Kammer mit rechteckigem Grundriss, in welcher je ein Beamer an jede Wand strahlte und man so eine riesige zusammenhängende Leinwand hatte. Es ging jedoch nicht um das Bild, sondern um den Sound. Man hatte also Filme ausgesucht, bei denen ein (berühmter?) australischer Sound Engineer mitgearbeitet hatte; es war wirklich ein überwältigender Eindruck!
Nach ca. 2.5h bemerkte ich, dass ich eigentlich noch weiter wollte, flanierte aber zunächst am Ufer des Yarra entlang und machte ein paar Bilder der Skyline von Melbourne. Auf meinem Weg nach Süden kam ich an einem großen Denkmal vorbei, wo ich spontan anhielt.
Dort sprach mich ein Mann darauf an, dass mein Hosenbein hochgerollt sei. Dass sei wegen des Fahrrads, erwiderte ich. Er bemerkte meinen nordamerikanischen Akzent und kurz darauf war ein interessantes Gespräch im Gange. Er erklärte mir, dass das Denkmal der Shrine of Remembrance sei. Nun muss ich hinzufügen, dass dieses Denkmal begehbar ist und eine Grundfläche von ca. 25m x 25m hat. Davor erstreckt sich eine Allee, die ca. 150m lang ist. Es handelt sich also wirklich um eine Gedenkstätte! Sie ist den Kriegern aller Kriege, in die Australien verwickelt war, gewidmet. Man stelle sich nur vor, ein Ehrenmal dieser Größe zu Ehren gefallener Soldaten wäre in Deutschland in Planung; man würde Kopf stehen. An wirklich jeder Stelle wurde betont, dass jeder Soldat für etwas Größeres gestorben sei: für den australischen Lebensstil, für Demokratie, für Freiheit; es mutete insgesamt sehr amerikanisch an. Mein Gesprächspartner (der diesesehr interessante Website be
treibt) wies mich darauf hin, dass im Denkmal selbst eine Krypta zu sehen wäre, also machte ich mich auf den Weg. Auch im Inneren fehlt es an keiner Stelle: gestorben zu Ehren der Freiheit. Am verwunderlichsten fand ich jedoch, dass unter der Krypta ein Besucherzentrum eingerichtet worden ist, in welchem man tatsächlich Souvenirs kaufen kann: Tassen mit Bildern vom Mahnmal etc. Die Kultur des Gedenkens ist hier also durchaus eine andere, als man sie aus Deutschland kennt.
Vermutlich ist jede Kultur des Gedenkens von der deutschen sehr verschieden, aber Souvernirs von Kriegsdenkmälern? Das finde ich bizarr, um es vorsichtig auszudrücken. Bizarr fanden es die Wächter (komplett mit Waffen bestückt), als eine asiatische Reisegruppe ein kunterbuntes Banner ausrollte und sich hinter diesem fotografieren lassen wollte. Auf drei sprangen alle in die Luft. Die Wächter griffen sofort ein und wiesen auf den Leitspruch am Eingang hin: let all know – this site is holy. Das ist definitiv kein Spruch, den man an deutschen Kriegsdenkmälern finden würde.Mein freundlicher Reiseführer ließ mich auch wissen, dass es in jeder größeren Stadt Australiens solche Denkmäler gebe und diese wirklich als heilig gelten. In Melbourne war beispielsweise ein Wolkenkratzer in Planung, der seinen Schatten für die meiste Zeit auf das Mahnmal geworfen hätte: nicht erlaubt – also auch kein Wolkenkratzer.
Am Abend brachten Benedikt (Deutschland) und ich Rohan (Kanada) Skat bei! Das ist wirklich eine Herausforderung auf Englisch. Wir spielten einige Spiele und danach fiel mir ein, dass ich doch No-Knead-Bread machen wollte, ein Brot, bei dem man nicht kneten muss (danke an Mama für die Empfehlung). Es war schon fast 23:00, doch auch hier haben die Läden um diese Zeit noch geöffnet, so dass ich also einkaufen gehen und danach mein Brot ansetzen konnte.
Heute schlief ich seit Langem mal wieder aus, fuhr am Mittag
mit Aliya (Indien) und Hoda (Dänemark) zum Victoria Market, wo wir Michael (Deutschland) trafen. Jeder tätigte seine Einkäufe. Ich gönnte mir leckere – wirklich leckere – Kiwis, Orangen und Käse. Das Einkaufen dort macht einfach Spaß! Aus dem Obst machte ich gleich einen Smoothie und danach ging es ans Brotbacken. Heute war wieder Family Dinner, so dass ich also etwas beisteuern konnte. Es macht wirklich Spaß, mit den anderen hier zu sein, denn jeder von uns studiert etwas komplett anderes und unter der Woche sehen wir uns so gut wie nie. Die Sonntage sind daher dafür gedacht, die Woche auszuwerten. Wir planten außerdem unseren Ausflug ins Yarra Valley, was für seinen Wein bekannt ist.
Morgen bekomme ich an der Uni meinen iMac und dann geht es langsam daran, fachlich produktiv zu werden!
Hi Tillman
Was good to meet you this past Saturday. I hope your time here in Melbourne is fulfilling, and that you make the most of savouring what Australia has to offer!
Cheers~
Debashis
Hi Till!
Ja, das wäre was für mich, also diese Lampenkonstruktion. „Ist das Kunst oder kann das weg?“ Haha.
Mabo-Entscheidung, wieder mal informiert. Danke.
Die Web-Seite vom Herrn Talukdar ist auch klasse. Kann man sicher was lernen!
Übrigens kannst du mit deiner Canon auch drei Bilder in Serie mit unterschiedlicher Belichtungskorrektur (üblicherweise -1 / 0 / +1 ), am besten Apparat aufgelegt und mit Selbsauslöser, machen. Und dann kann man per Software diese 3 Bilder zu einem machen, mit dem entsprechenden Effekt des unglaublichen Kontrastes.
Hast du deinen Mac?! Kann`s dann losgehen?
Ciao!!
Ich musste beim Lesen deiner Zeilen über das Denkmal an das Völkerschlachtdenkmal in Leipzig denken. Da würde sich doch auch prima eine Souvenirverkaufsbude angliedern lassen. 😉
Schön, dass du viel erlebst und nette Leute triffst. Also in DE würde dich keiner auf dein Hosenbein ansprechen, oder? Sei gedrückt!
Heni