Die Woche ging aber mal wieder fix rum! Hatte jede Menge zu tun, musste meine Fliegen einsammeln – war ne ganz schön frustrierende Angelegenheit, denn von meinen 240 unterschiedlichen Familien, die ich für meine Analyse hergestellt hatte, haben leider nur 50 den Nachwuchs gebracht, den ich brauchte (nämlich solche, die homozygot für Auffälligkeiten in der Region sind, die ich untersuche). Das hieß, dass ich den kompletten Nachwuchs aller 240 Familien mehrere Male mit dem Mikroskop anschauen musste. Anstrengend, langweilig, frustrierend. Aber alles wird gut. Nächste Woche gehts an die Genanalyse – drückt die Daumen, dass ich auch mit nur 50 Fliegen genug Puzzleteile erhalte!!
Ansonsten bin ich so entspannt wie schon ewig nicht mehr. Auch an die wöchentlichen Pub-Besuche könnte ich mich gewöhnen, ich plädiere ja auch für einen Pub-Zuschlag bei den Berechnungen für England-Aufenthalts-Stipendien! Gestern jedenfalls hatte unser Prof das Lab Meeting in die Field Station verlagert, damit wir ein Barbeque im Anschluss haben konnten. Nett war das! Da saßen wir also auf der Wiese im Halbkreis um unseren PI, der ein Paper herrlich verriss, während wir unser erstes Bier schlürften. Nebenbei war der Grill schon am Aufwärmen und ständig quakten und schnatterten irgendwelche Viecher um uns herum. So stellt man sich doch das Bio-Studium in Cambridge vor! 🙂 Nach einer Sausage, zwei Bier, drei Burgern und vier Runden „Vortex“ (ein lustiges Fluggerät) machte ich mich wieder auf in die Stadt, zu einem alten Pub am Fluss, direkt im Park, wo sich mal wieder ein Haufen Couchsurfer eingefunden hatte. Interessanterweise grasen seit kurzer Zeit irgendwelche zotteligen Rindviecher auf den Midsommer Commons, also auf den großen Rasenflächen im Stadtzentrum! So auch gestern! Einfach unglaublich! Unser Prof meinte dazu nur „They come there every year.“ Ah ja, das erklärts natürlich.
Lab Meeting at the Field Station (aus Leben in Cambridge)
Für heute hatte ich mir vorgenommen, das Meer zu sehen. Schließlich bin ich hier auf ner Insel! Allerdings ist Cambridge wahrscheinlich einer der Orte in Großbritannien, der am weitesten vom Meer entfernt ist (dafür ist das Wetter halt konstant schön – man kann nicht alles haben). Aber das heißt ja nicht, dass der Strand unerreichbar wäre, im Gegenteil: für insgesamt 12,70 Pfund (das sind fast nur 13 Euro, harhar! und das für die Hin- und Rückfahrt!) nahm ich zunächst den Zug bis King’s Lynn, was eine reizende, kleine Stadt mit einem netten mittelalterlichen Kern ist. Dort hatte ich nach 40 Minuten auch schon meinen Anschlussbus gefunden (meine Stellungnahme zum ÖPN auf der Insel gibts morgen), der etwa eine Stunde durch die Gegend kurvte, bis ich in Hunstanton, direkt an der Ostküste, entlassen wurde. Bis dahin hatte ich gut 100 Seiten der Cider House Rules gelesen, war also voll auf Küstenflair eingestimmt. Natürlich war aber erstmal Ebbe. Das heißt, das Meer war ganz schön weit weg vom Strand. Aber machte ja nix, ich hatte ja Zeit ohne Ende, also watete ich im Schlick bis auch der letzte Touri aus meinem Sichtfeld verschwunden war und da nichts weiter war als endlose Weite. Ich glaube, irgendwo stand, dass der Strand sich über 30 Meilen erstreckt – genauso fühlte es sich auch an!
Aus Ab ans Meer 2009
Der Wind war allerdings ziemlich frisch, überhaupt war ich froh, doch noch meine extra Jacke und meinen extra Pulli eingepackt zu haben, denn wirklich bade- oder selbst sonnenbadtauglich war das Wetter nicht. Am Ende des Tages waren auch nur meine Hände von der Sonne gezeichnet, alles andere hatte ich wind- und sandfest verpackt.Trotzdem – oder gerade deswegen – musste ich natürlich sehr an die ganzen Ostseeurlaube denken, in denen sich die Männer selbstmörderisch in die eisigen Fluten stürzten, während ich im Schal und Fleecepulli in den Strandkorb gekuschelt meine Schmöker verschlang.
Schade, dass ich nicht auf den Sonnenuntergang warten konnte (Hunstanton ist nämlich einer der wenigen Orte Englands, wo die Sonne über dem Meer untergeht), aber es war auch schön, wieder nach Cambridge zurückzufahren – es fühlte sich nämlich wirklich wie Heimfahren an. Gibt’s ein besseres Ende für einen Daytrip?