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Mein Beitrag zum Darwinjahr

Nachdem nun einige Nachfragen kamen, sollte ich wirklich einmal erklären, was ich eigentlich hier in Cambridge zu suchen habe.

Zunächst ist die Antwort sehr simpel: ich absolviere ein Praktikum im Rahmen meines Biomedizin-Master-Studiums. Die Vorgaben für das Praktikum sehen vor, dass wir mindestens sechs Wochen in einem Labor unserer Wahl selbstständig an einem kleinen Projekt arbeiten. Da ich gern mal wieder in einem englischsprachigen Land leben wollte, nutzte ich diese Möglichkeit, um einige Zeit im Ausland zu verbringen und gleichzeitig möglichst viel Studiumsrelevantes zu lernen. Die Arbeitsgruppe, die ich mir ausgesucht habe, forscht an der Koevolution von Insekten und sie befallende Viren, d.h. sie untersuct die Art und Weise, wie sich Insekten vor Infektionen schützen und wie sich die Viren an die neuen Schutzmechanismen der Insekten anpassen. Beide Vorgänge (das Entstehen von Resistenz gegen die Viren und das Überwinden der Resistenz durch das Virus) sind keine aktiven Prozesse – das einzelne Insekt hat keinen direkten Einfluss darauf, ob es nun infiziert wird oder nicht und auch das Virus kann nicht "erkennen", welche Resistenzmechanismen bestimmte Insekten entwickelt haben und sich aktiv daran anpassen. Vielmehr basieren die Anpassungen auf evolutionärer Selektion, d.h. die Insekten, die zufälligerweise bestimmte Genveränderungen haben, damit sie gegen das Virus resistent sind, haben einen Überlebensvorteil, vermehren sich stärker und dominieren also bald die Insektenbevölkerung. Auf der anderen Seite mutiert natürlich auch das Virus, wobei nur das Virus, welches eben in der Lage ist, möglichst viele Fliegen zu infizieren, "überleben" kann, denn ohne einen Wirt ist ein Virus gar nichts und ohne Weitergabe wird das Virus mit dem letzten befallenen Wirt aussterben. Es ist sicherlich jedem klar, dass solche Selektionsprozesse über viele Generationen ablaufen und von den Fliegen und Viren selbst eben nicht beeinflusst werden können. Genauso klar ist aber auch, dass das Aufkommen resistener Insekten dazu führen wird, das neue Virenstämme die Oberhand gewinnen werden, die eben genau diese Insekten doch infizieren können.

Man streitet sich nun darüber, wie genau diese Art der gegenseitig beeinflussten Evolution abläuft. Zum einen gibt es das Modell des Wettrüstens, in dem in den Insekten ständig neue Reistenzgene entstehen und durch die erhöhte Fitness in ihrer Population  verankert werden, sodass daraufhin im Virus neue Gene entstehen müssen, die das Überwinden eben dieser neuen Reistenzmechanismen ermöglicht. So etwas kann man in etwa mit den Antiobiotikaresistenzen vergleichen, obwohl die auf der menschlichen Seite natürlich nichts mit Genen zu tun haben, aber wir erfinden immer mehr und neue Antibiotika, um uns gegen Bakterien zu schützen, was dazu führt, dass die Baktieren, die eben nicht durch das Medikament getötet werden, einen Überlebensvorteil haben und sich (von anderen Bakterien ungehindert) ausbreiten können.

Dieses Modell erklärt aber nicht, warum es so große Schwankungen zwischen den verschiedenen Insektenlinien bezüglich ihrer Virusanfälligkeit gibt, denn theoretisch müssten ja die resistenen Insekten für ein Verschwinden der empfänglichen Insekten sorgen oder diese zumindest in eine Minderheit umwandeln, was bisher nicht der Fall zu sein scheint. Es könnte natürlich sein, dass wir gerade nur die letzten Reste der nicht-resistenten Insektenstämme analysieren, die bald verschwunden sein werden in der Natur – allerdings gibt es das Virus schon sehr, sehr lange. Es ist aber auch denkbar, dass das Wettrüsten nicht nur Vorteile bringt, sondern die Insekten auch etwas kostet. Die Kosten könnten z.B. sein dass sie stattdessen mit einem anderen Virus oder Bakterien oder gar Parasiten infiziert werden. Oder dass Sie weniger fruchtbar sind. Oder dass sie hitzeempfindlich sind. Oder oder oder. Möglicherweise sind die Kosten so hoch, dass manche Stämme vielleicht besser dran sind, sich vom Virus infizieren zu lassen. Ihr seht, es gibt da noch einiges aufzuklären.

Was aber mache ich jetzt eigentlich? Ich arbeite mit der Fruchtfliege Drosophila melanogaster, die ein beliebtes Forschungsobjekt ist, und an einem fruchtfliegenspezifischen Virus, das Sigmavirus. Das Sigmavirus wird nur von den Fruchtliegeneltern an den Nachwuchs weitergegeben, es ist nicht in der Lage, Fliegen einfach so zu infizieren, sondern muss anscheinend durch die Keimzellen "vererbt" werden. Das ist schon mal sehr praktisch, denn so können wir sehr genau kontrollieren, welche Fliegen infiziert sind oder werden und welche nicht. Außerdem tötet das Virus die Fliegen nicht, sondern führt hauptsächlich dazu, dass die Fliegen auf einmal empfindlich auf Kohlendioxid reagieren, d.h., wenn man die Fliegen 15 Minuten lang mit Kohlendioxid begast, sterben sie. Nicht infizierte Fliegen werden dadurch nur betäubt und wachen nach einiger Zeit wieder auf. Auch diese Eigenschaft ist sehr praktisch, denn so können wir unkompliziert und sicher feststellen, welche Fliegen nun eigentlich das Virus haben und welche nicht. Die Arbeitsgruppe, in der ich nun bin, schaut sich jetzt die Übertragungsraten des Virus von den Eltern an die Kinder an und wie sich die im Zuge der Evolution, also im Laufe der Generationen, eventuell verändert. Die Anpassung der Fliegen hin zu weniger Sigmavirusinfektionen kann im Groben mit zwei Aspekten beschreiben: 1. Wie unterscheiden sich die einzelnen Kinder in der Empfänglichkeit für das Virus? und 2. Gibt es Unterschiede in der Häufigkeit, mit der das Virus von den Eltern an die Kinder weitergegeben wird? Im ersten Fall sorgen also die Gene der Kinder für eine Resistenz gegenüber der Infektion, während im zweiten Fall die Gene der Eltern eine Weitergabe des Virus an die Kinder verhindern könnten. Mein Projekt beschäftigt sich nun mit letzterem Aspekt, d.h., ich soll herausfinden, welches Gen mutiert ist in denjenigen Fliegenvätern, die trotz einer Virusinfektion hauptsächlich uninfizierte Kinder hervorbringen (wenn sie sich mit einer nicht infizierten Fliegenfrau paaren). Uff. So weit, so gut. Herzlichen Glückwünsch, wer sich bis hierher durchgelesen hat! Demnächst dann vielleicht eine Antwort auf die Frage "Warum grade Fliegen?!".

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12. März 2009 angela

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0 thoughts on “Mein Beitrag zum Darwinjahr”

  1. mum sagt:
    14. März 2009 um 06:26 Uhr

    das hast du ja mal fein erklärt, meine süße!
    du wolltest doch shcon immer populärwisschenschaftliche Bücher schreiben, oder?!
    *smile*

    Antworten
  2. Gudrun Thäter sagt:
    14. März 2009 um 11:20 Uhr

    Die mir seltsam dünkenden „letzte(n) Kommentare“ auf der bestrickenden Seite brachten mich nun gerade noch rechtzeitig in die Studentenecke …

    Schön, dass Du so ausführlich erzählst!

    Beim Auftauchen der Fruchtfliege mußte ich aber doch erst einmal schmunzeln – anscheinend kommt man um dieses Tierchen einfach nicht herum in „Deinem“ Metier.

    Bei uns gibt es auch einiges Neues. Stefan und ich werden wohl noch dieses Jahr nach Karlsruhe umziehen, weil ich dort eine attraktive Dauerstelle an der Uni angeboten bekommen habe. Wenn alles so klappt wie geplant, haben wir dann doppelten Grund, im Mai zu feiern.

    Dir noch eine interessante Zeit in Cambridge, Gudrun

    Antworten
  3. Friedi sagt:
    14. März 2009 um 13:08 Uhr

    liebe Gudrun,

    ich hatte den Link wahrscheinlich nur an deine alte E-Mail-Adresse geschickt! Aber schön, dass du her gefunden hast! 🙂

    Antworten

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